Am 3. Oktober 2025 jährt sich die Deutsche Einheit zum 35. Mal. Ein historisches Datum, das Anlass zum Feiern gibt – aber kein Grund ist, sich zurückzulehnen. Denn die Einheit ist und wird vielleicht nie ein fertiger Zustand. Sie ist ein Prozess voller Brüche, Reibungen und Lernschleifen. Zwei Systeme, Identitäten … Welten prallten und prallen immer noch aufeinander. Euphorie und Ernüchterung wechseln sich ab. Genau das macht sie so wertvoll: Sie zeigt, wie Transformation arbeitet.
Ein Kommentar von Elena Springub
2025 – die unbequeme Realität
Heute stehen Deutschland und Europa erneut vor tiefen Umbrüchen: Wachstumsflaute, Energie- und Klimakrise, digitale Disruption, geopolitische Unsicherheit.
Der Reflex vieler Unternehmen: Erstarren. Sparen. Abwarten. Meiner Meinung nach ein absoluter Fehler: Stillstand schützt nicht – er schwächt. Die aktuellen Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: 54% der Deutschen sorgen sich um ihre Zukunft, nur 22% bewerten die Wirtschaftslage als gut (Körber-Stiftung, 2024). Noch alarmierender: Gerade mal 48% der CEOs glauben an Umsatzwachstum (PwC CEO Survey, 2024).
Und wie stellen wir uns in diesem Szenario für die Zukunft auf?
2025 ist Deutschland im Global Innovation Index (GII 2025) von Platz 9 auf 11 gerutscht. Nicht wegen mangelnder Ideen – unser Land ist voller Innovationen und auch Start Ups. Unser Problem: Wir kommen einfach nicht in die Umsetzung. Anders als unsere Nachbarn in der Schweiz, sie belegen Platz 1 – seit Jahren sind sie unangefochten an der Spitze.
Ein neuer Gorbatschow-Moment für die deutsche Wirtschaft
Viele Unternehmen reagieren auf die aktuellen Krisen reflexhaft: bremsen, sparen, abwarten. Das ist der kostspieligste Fehler, den Sie machen können. Wer jetzt erstarrt, verliert Handlungsspielraum.
„Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.“ – Diese Worte aus der Wendezeit sind aktueller denn je. Die DDR-Führung hielt zu lange an alten Strukturen fest. Genau das erleben Unternehmen, wenn sie Märkte, Technologien oder Kulturwandel verschlafen.
Transformation bedeutet, trotz Unsicherheit aktiv in die Zukunft zu investieren. Dazu braucht es Unternehmenslenker:innen mit Haltung, die Orientierung geben und bewusst entscheiden, wohin Ressourcen fließen. Visionäre, die Gegenwind standhalten.
Im Laufe meiner Karriere habe ich gelernt: Die besten Führungskräfte sind nicht die, die alle Antworten haben. Wahre Führungsqualität beweisen diejenigen, die ehrlich mit Unsicherheit umgehen:
- Die Verantwortung übernehmen, statt auf politische Entscheidungen zu warten
- Die visionär und mit Pragmatismus in die Zukunft schauen
- Die in die Umsetzung kommen, damit Fakten geschaffen werden
- Die klare Richtung vorgeben und zugleich Kurskorrekturen vornehmen
- Die trotz knapper Budgets in Innovation investieren
- Die anerkennen, dass sie nicht alle Lösungen kennen
- Die die kollektive Intelligenz ihrer Teams nutzen
Es geht mehr denn je darum, wirksam zu bleiben, auch wenn die Umstände unsicher sind. Das ist Führung.
Die Deutsche Einheit ist noch nicht abgeschlossen. Das beunruhigt mich nicht. Transformation ist kein Haus, das irgendwann steht – sie ist ein permanenter Prozess. Doch geht es in 2025 längst nicht mehr “nur” um Ost und West. Es geht um das Überleben der gesamten deutschen Wirtschaft. Und wir haben jetzt die große Chance, noch vereinter aus der Krise zu gehen. Lassen Sie uns diesen Moment nutzen.
Elena Springub begleitet CEOs durch komplexe Transformationsprozesse und ist Expertin für Führung in unsicheren Zeiten. Sie ist Gründerin von Springub Consult und ehemalige Leitende Angestellte in einem DAX-Konzern. Sie kennt die Herausforderungen von Transformationsprozessen wie ihre Westentasche.